
Wer meinen Schreibtisch sieht, könnte mich für einen unverbesserlichen Chaoten halten (und Johannes würde dem jetzt heftig kopfnickend zustimmen *grins*). Immerfort räume ich mir einen Platz frei, um schreiben zu können. Verschiebe Gegenstände und Papierstapel von der einen Seite auf die andere, von vorne nach hinten. Suche mal meinen Tageskalender (ich brauche das eigenhändige Eintragen und Durchstreichen von Terminen und Namen. Ich könnte nie meinen Kalender im Smartphone führen.), dann wieder meinen Füller und ein anderes Mal Unterlagen für Beihilfe und Krankenversicherung oder das Finanzamt. Ja, ich gestehe, es ist mühsam mit einer Ordnung, die auch noch schön und einladend aussieht. Trotzdem finde ich Zeit und Raum zum Schreiben.
Wer besichtigt schon meinen Arbeitsplatz? In mein Büro mit Bücherschrank und Ohrensessel am Fenster – mein bevorzugter Leseplatz. Gerade erfreue ich mich an der Erzählung „Der Erwählte“ von Thomas Mann und ganz besonders an den Wortbildungen, Satzwendungen und dieser irren Geschichte –, also in mein Büro lade ich keine Gäste ein. Einmal, weil ich ihnen keinen Platz zum Verweilen anbieten kann. Zum anderen ist es für mich ein fast schon intimer Raum, direkt neben meinem Schlafzimmer. Es geht niemanden etwas an, welches Sammelsurium an Büchern ich im Regal stehen habe. Nur das kann ich sagen: die theologischen Bücher nehmen längst schon nur noch einen kleinen, fast unbedeutenden Raum ein. Längst ist Literatur in allen Farben und Facetten das Thema meiner Bibliothek.
Mein Arbeits- und Lesezimmer ist meine Klausur, in die ich mich von der Unruhe draußen oder unten im Wohnzimmer, wenn dort viele Gäste sind, zurückziehen kann. Dann zünde ich am Fenster eine Kerze an, atme tief durch, schaue in die Ferne oder meditiere über schönen Texten und Gedanken. Und ich habe angefangen, Worte zu sammeln. Wenn ich ein neues oder mir unbekanntes Wort in einem Buch gefunden habe, lege ich einen Zettel an, schreibe das Wort oder die originelle Wort-Verbindung drauf und füge es dem Buch hinten bei.
Trotz (oder vielleicht wegen) der Unordnung auf meinem Schreibtisch bin ich ein kreativer Mensch, sozusagen chaotisch-kreativ.
Aber vielleicht sollte ich ihn wirklich einmal wieder aufräumen…
s | j | d – 30.03.2023